Bewohnende der Erstaufnahmeeinrichtung Doberlug-Kirchhain bauen Hütten mit Grundschulklassen

Jeder ist Mensch – jeder ist anders: Unter diesem Motto stand im Mai 2022 ein erstes Treffen von der fünften Klassen der Grundschule Nord aus Finsterwalde mit Bewohnenden der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Doberlug-Kirchhain. Die Schülerinnen und Schüler hatten damals die Erstaufnahmeeinrichung besucht und sich mit Bewohnenden ausgetauscht. Nun gab es einen Gegenbesuch.

Sechste Klasssen bauen mit Geflüchteten Finnhütten für ihre Schule

Vom 13. bis 16. September waren Bewohnende der Erstaufnahmeeinrichtung in der Grundschule Nord in Finsterwalde. Es ging bei dem Besuch nicht nur um ein Wiedersehen: Anlass war ein Schulprojekt, mit dem die Schülerinnen und Schüler der mittlerweile sechsten Klassen ihrer Schule ein Geschenk machen wollten: Gemeinsam mit Geflüchteten der Erstaufnahmeeinrichtung haben sie in den vier Tagen vier Finnhütten gebaut.

Bereits im Vorfeld hatte es wichtige Absprachen gegeben. Holz und weitere Materialien besorgte der Förderverein der Schule. Eine Mitarbeiterin der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg erstellte die Zeichnungen.

Als es am 13. September losging hielten viele der Kinder erstmals einen Akkuschrauber in der Hand und mussten erst einmal einiges lernen: Wie lese ich die Zeichnung? Wie bestimme ich die verrschiedenen Holzlängen, die zum Bau der Hütten benötigt werden?

Schnell ein eingeschweißtes Team

Auch der Kontakt mit Menschen, die nicht Deutsch sprechen, war für einen Moment eine Herausforderung für die Schülerinnen und Schüler. Bald aber war klar: Mit Englisch sowie mit Händen und Füßen kann man sich sehr gut verständigen. Nach dem zweiten Tag waren die Schülerinnen und Schüler und die Gäste aus der Erstaufnahmeeinrichtung schon ein eingeschweißtes Team.

Am Donnerstag und Freitag war dann die 6b am Zuge.

Am Freitag feierten alle Beteiligten stolz das Richtfest der vier neuen Finnhütten feiern. Erzieherinnen der Erstaufnahmeeinirchtung hatten zwei schöne Richtkränze gestaltet und die Hütten damit geschmückt. Die Kinder und Lehrerinnen bedanken sich mit einer Rede und kleinen Geschenken bei allen Beteiligten. Dabei flossen auch ein paar Tränen.

Die feierliche Einweihung soll zum Herbstfest der Schule am 22. September erfolgen.

Finale beim Tropical Islands – 20 Teams aus den Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete bei der Brandenburgischen Straßenfußball-Meisterschaft 2022

Sie alle lieben Straßenfußball: Mehr als 800 fußballgeisterte Kinder, Jugendliche und Erwachsenen sind am vergangenen Samstag mit ihren Teams zum Finale der Brandenburgischen Straßenfußball-Meisterschaft beim Tropical Islands gepilgert. Mit großem Sportsgeist dabei waren auch insgesamt 20 Mannschaften aus den Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete des Landes Brandenburg: sechs aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt, darunter zwei Kinder-Teams, acht Erwachsenen-Teams aus Doberlug-Kirchhain und sechs Teams aus Wünsdorf, darunter ebenfalls zwei Kinder-Teams. Mit 168 Teams insgesamt verzeichnete das von der Brandenburgischen Sportjugend organisierte Turnier einen neuen Teilnahmerekord.

Zwei Teams gewinnen Medaillen

Zwei Teams aus den Erstaufnahmeeinrichtungen hatten am Ende des sportlichen Tages besonderen Grund zum Strahlen. In der Altersklasse 4 der Männer landete das Team „EAE 1“ aus Eisenhüttenstadt auf Platz drei. In derselben Altersklasse gab es für die „Africa Stars“ aus Wünsdorf die Sonderplatzierung für „Fairplay“. Beide Teams durften sich über Medaillen freuen.

Aber auch alle anderen Teilnehmenden aus den Erstaufnahmeeinrichtungen verbrachten einen durchweg freudigen Tag beim Finale der Straßenfußballliga. Einige trafen unter den Mannschaften der jeweils anderen Erstaufnahmeeinrichtungen alte Bekannte wieder oder schlossen neue Freundschaften mit Mitgliedern aus anderen Teams. Besonders schön: Alle Teilnehmenden erhielten Freikarten für das Tropical Islands.

DRK-Workshop zu Erster Hilfe kommt gut an

Auch jenseits der elf Straßenfußball-Courts gab es ausreichend Programm mit weiteren Sportgeräten wie Torwand oder einem aufblasbaren Fußballcourt sowie verschiedenen Workshops. Auch das DRK war mit einem Info- und Mitmachstand vertreten: Zwei Mitglieder des DRK-Ortsvereins Doberlug-Kirchhain informierten über Erste Hilfe und stießen damit auf großes Interesse.

Integrative Sportveranstaltung

Die Brandenburgische Sportjugend organisiert die Straßenfußballmeisterschaft im Rahmen ihrer Projekte „Integration durch Sport“, „Straßenfußball für Toleranz“ und „Willkommen im Sport“ seit einigen Jahren. Mit der integrativen Sportveranstaltung bringt sie unterschiedliche Akteurinnen und Akteure aus der landesweiten Integrationsarbeit zusammen. Straßenfußballteams aus ganz Brandenburg qualifizieren sich in Vorrunden für das Turnier, darunter viele mit Migrantinnen und Migranten. Ins Finale kommen nicht nur die bei den Vorrunden erfolgreichsten, sondern auch die fairsten Teams.

Bei der Eröffnung des Finales brachte Katrin Krumrey, Kinder- und Jugendbeauftragte des Landes Brandenburg, das Anliegen des integrativen Turniers auf den Punkt: „Sport verbindet uns alle. Die Regeln sind weltweit gleich“. Zu den Ehrengästen des Finales zählte auch Christian Seiler von der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg, Objektleiter der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Wünsdorf. Er betonte die hohe Bedeutung des Turniers für die Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen und dankte der Brandenburgischen Sportjugend, die den Alltag der Geflüchteten in den Einrichtungen das ganze Jahr über mit verschiedenen Sportangeboten bereichert.  

Ein Höhepunkt im Jahreskalender der Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete

In den Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete ist die Brandenburgische Straßenfußballmeisterschaft schon lange fest als ein Höhepunkt im Jahreskalender verankert. Bei den drei CampCups in den Einrichtungen in Eisenhüttenstadt, Doberlug-Kirchhain und Wünsdorf qualifizieren sich die Teams vorab für das Finale.

„Feuerwerk der Kulturen“ – ein gemeinsames Fest der Begegnung von DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg und DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald e. V.

Die DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg und der DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald haben am Freitag wieder gemeinsam das "Feuerwerk der Kulturen" am Bürgerhaus Wünsdorf veranstaltet. Das interkulturelle Fest gibt es seit 2018. Es soll Begegnungen zwischen Bewohnenden der Erstaufnahme für Geflüchtete in Wünsdorf und Menschen aus der Nachbarschaft ermöglichen.

Zwei Jungs aus der Nachbarschaft kicken auf dem aufblasbaren Fußballcourt auf dem Gelände des Bürgerhaus Wünsdorf, ein Junge aus der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Wünsdorf fragt, ob er mitspielen dürfe. Die Antwort: „Na klar!“

Genau so soll es sein, sagt dazu Bettina Nathusius, Ehrenamts- und Netzwerkkoordinatorin bei der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg in der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf. Gemeinsam mit weiteren Mitarbeitenden der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg und des DRK Kreisverbands Fläming-Spreewald hat sie das „Feuerwerk der Kulturen“ organisiert: ein interkulturelles Fest als Ort der Begegnung für Bewohnende der Erstaufnahmeeinrichtung und Menschen aus der Umgebung.

Viele Kreativeangebote, vor allem für Kinder

Zahlreiche Interessierte fanden sich dazu am Freitag auf den Grünanlagen rund um das Bürgerhaus Wünsdorf ein und vergnügten sich bei unterschiedlichen Programmpunkten und Aktivitäten. Strahlende Gesichter vor allem von Kindern waren überall zu sehen, zum Beispiel am Klebe-Tattoo-Stand oder bei der großen Leinwand zum freien Bemalen. Beide wurden wie auch weitere kreative Aktionen von Mitarbeitenden des DRK-Kreisverbands Fläming-Spreewald betreut. Der Förderverein Goetheschule Hort Zossen e. V. verkaufte Kaffee und Kuchen.

Lange Schlangen beim Kinderschminken und Zöpfeflechten

Lange Schlangen bildeten sich vor einem Pavillon, an dem ein Mitarbeiter der DRK Flüchtlingshilfe Kinderschminken anbot und Bewohnerinnen der Erstaufnahmeeinrichtung allen Interessierten kunstvolle Flechtfrisuren gestalteten. Die Brandenburgische Sportjugend bot mit einer Hüpfburg und einem aufblasbaren Fußballcourt den Kindern und Jugendlichen die Gelegenheit, sich sportlich auszutoben.

Internationale Musik- und Tanz-Acts

Besondere Höhepunkte der Veranstaltung waren die internationalen Gäste, die die Gäste mit Musik und Tanz begeisterten und zusätzlich für ausgelassene Stimmung sorgten: Trommler Abdoul Aziz Sinka mit seiner Band, Salsatänzer Eloy Jesus Rojas und Rapper Matondo.

Berührungsängste abbauen

Die DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg und der DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald veranstalteten das „Feuerwerk der Kulturen“ zum vierten Mal seit 2018. Zur Bedeutung des Familienfests sagt Bettina Nathusius: „Wir sind eine recht große Erstaufnahmeeinrichtung und im Alltag für viele Außenstehende nicht zugänglich. Das ,Feuerwerk der Kulturen‘ fördert den Austausch zwischen Bewohnenden der Einrichtung und den Menschen aus der Nachbarschaft in Wünsdorf und Umgebung. Es trägt dazu bei, Berührungsängste abzubauen.“

Fest bringt mehrere Akteure zusammen

Dass dies gelingt, bestätigt Jan Spitalsky, Kreisvorsitzender des DRK-Kreisverbands Fläming-Spreewald, der das Fest am Freitag besuchte: „Es ist uns ein großes Anliegen und gehört zu unserem Selbstverständnis, Geflüchteten Begegnungen und Inklusion durch schöne Erlebnisse zu ermöglichen. Das ,Feuerwerk der Kulturen‘ ist hierfür ein guter Anlass.“ Das Fest sei eine Tradition, an der die DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg und der DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald gemeinsam festhalten sollten – auch, weil es Akteure aus den beiden Organisationen zusammenbringe.

Die frühere Integrationsbeauftragte des Landkreises Teltow-Fläming, Christiane Witt, besuchte das „Feuerwerk der Kulturen“ in diesem Jahr auch nach ihrer Amtszeit gern. Sie freue sich über viele bekannte Gesichter aus der jahrelangen Netzwerkarbeit zur Integration, sagte sie am Freitag: „Es ist schön zu sehen, dass viele Netzwerkpartner und auch viele Menschen aus der Gegend hier sind und es freut mich zu sehen, dass die Arbeit fortgeführt wird.“

Im Gespräch: Thomas Wiedenbeck, Objektleiter der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder)

Thomas Wiedenbeck ist seit Juli 2021 Objektleiter der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder). Im Interview erzählt er von seinem ersten Jahr als Leiter der Einrichtung und warum ihn die Arbeit bei der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg-Ost erfüllt.

Herr Wiedenbeck, Sie sind seit Juli 2021, also seit einem guten Jahr, Objektleiter der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Eisenhüttenstadt. Ein Jahr, in dem viel los war. Was ist Ihre persönliche Bilanz zu den ersten Monaten in dieser Position?

Es war ein spannendes Jahr mit drei Ereignissen, die große Fluchtbewegungen ausgelöst haben: die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, die zahlreichen Geflüchteten, die versuchten, über Belarus in die EU einzureisen, und dann der Krieg in der Ukraine. Ich bin ins kalte Wasser gesprungen, aber aufgefangen worden: Ich konnte mich hier auf unglaublich gute Strukturen verlassen, die ich von meinen Vorgängern übernommen habe. Außerdem haben wir in unserer Einrichtung sehr aktive Teamleitungen. Mit ihnen arbeite ich gut zusammen und kann mich auf sie verlassen. Das hat mir in diesem anspruchsvollen Jahr stark geholfen.

Zusätzlich zu diesen drei großen Fluchtbewegungen durch Afghanistan, Belarus und Ukraine spielte auch die Coronapandemie immer noch eine Rolle…

Stimmt, über allem hing noch das Damoklesschwert Corona. Die Belegungssteuerung erfolgte immer unter Beachtung eines strikten Quarantänemanagements. Außerdem konnten viele Betreuungsangebote nicht oder nur stark eingeschränkt unterbreitet werden, Weiterbildungen und auch Feste sowohl für Bewohnende als auch für unsere Beschäftigten mussten gestrichen werden. Wenn ich auf dieses Jahr zurückblicke, bin ich erstaunt, wie ruhig eigentlich alles abgelaufen ist. Mich hat beeindruckt, zu welchen Leistungen unsere Beschäftigten in der Lage sind. Das hat mir Kraft gegeben und die Zuversicht, dass ich mich darauf verlassen kann, dass es auch läuft, wenn ich mal nicht in der Einrichtung sein kann. Das ist ein gutes Gefühl.

Wie sind Sie überhaupt Objektleiter der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Eisenhüttenstadt geworden?

Ich bin Volljurist und habe in Berlin knapp 20 Jahre als Rechtsanwalt gearbeitet. Um 2019, mit knapp 50, habe ich mir die Frage gestellt: Will ich das noch die nächsten 20 Jahre bis zur Rente machen? Ich kam zu dem Schluss: Nein, möchte ich nicht. Ich wollte etwas übers Geldverdienen hinaus tun, etwas, was der Gesellschaft und dem Gemeinwohl mehr dient. Nach einigen Gespräche mit Akteuren aus dem gemeinnützigen Bereich fing ich im November 2019 als Teamleiter Sozialdienst in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete am Standort Frankfurt (Oder) an. Sozialdienst beinhaltet Beratung und Betreuung von Geflüchteten. Das war mein erster Schritt bei der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg-Ost.

Und wie kamen Sie dann nach Eisenhüttenstadt?

Dazu muss ich kurz etwas zur Struktur der Erstaufnahmeeinrichtung erklären. Diese hat zwei Standorte: Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder). Mitte Juni 2020 fragte mich die Geschäftsführerin der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg-Ost gGmbH, ob ich mir vorstellen könnte, nach Ausscheiden des damaligen Objektleiters die Leitung der gesamten Erstaufnahmeeinrichtung zu übernehmen. Zum September 2020 wechselte ich dann zunächst als stellvertretender Objektleiter in die „Zentrale“ nach Eisenhüttenstadt und hatte ein Dreivierteljahr Einarbeitungszeit. Zum 1. Juli 2021 habe ich dann die Objektleitung übernommen.

Würden Sie sagen, Ihr Wunsch nach einer sinnstiftenden Arbeit hat sich erfüllt?

Ja, auf jeden Fall! So anstrengend es auch manchmal sein kann – es ist einfach ein großartiger Job, den ich habe. Dinge entscheiden zu können, Dinge gestalten zu können, ein Team, auf das man sich verlassen kann – das macht einfach Spaß. Ich habe es keinen einzigen Tag bereut, die Anwaltstätigkeit aufgegeben und zum DRK gewechselt zu haben. Ich würde die Entscheidung jederzeit wieder treffen. Es ist ja nicht nur die Tätigkeit, die mir wirklich Spaß macht, sondern tatsächlich auch das Deutsche Rote Kreuz. Das Rote Kreuz kennt jeder, und es fällt nicht schwer, sich mit dem DRK und dessen Grundsätzen zu identifizieren.

Was sind Ihre Aufgaben als Objektleiter der Erstaufnahmeeinrichtung?

In meiner Stellenbeschreibung steht u.a.: „Verantwortung des Aufbaus des operativen Betriebs in Koordination mit allen Partnern“. Aufgebaut ist der operative Betrieb, aber in meiner täglichen Arbeit geht es um dessen Sicherstellung: Immer wieder zu gewährleisten, dass in unserer Erstaufnahmeeinrichtung mit oft mehr als 1.000 Geflüchteten, über 100 Beschäftigten und der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren wie z.B. der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) oder unseren Nachunternehmern alle Räder ineinandergreifen. Die Personalauswahl ist dabei ganz wichtig, vor allem für die Führung der Teams: Die Teamleitungen sind die wichtigsten Stützen. Auch die Qualitätssicherung aller Prozesse, vor allem der Weg von Geflüchteten vom Betreten der Erstaufnahmeeinrichtung bis zu dem Punkt, an dem sie diese wieder verlassen, ist wichtiger Teil meiner Aufgabe. Dazu kommen viele kurzfristige operative Entscheidungen, die ich treffen muss, wenn wir vor Herausforderungen stehen, bei denen ich morgens noch nicht weiß, was im Laufe des Tages auf mich zukommt.

Welche Erfahrungen aus Ihrer früheren Tätigkeit als Rechtsanwalt helfen Ihnen bei Ihrer Arbeit als Objektleiter?

Viele. Klassische juristische Tätigkeiten gibt’s hier auch: Einen Vertrag lesen und bewerten zu können, ist viel wert, weil wir mit mehreren Akteuren zusammenarbeiten, mit denen wir Verträge haben. Darüber hinaus hilft mir die Fähigkeit, einen Sachverhalt relativ nüchtern zu betrachten, zu bewerten, zu Schlüssen zu kommen. Und, auch das lernt man als Jurist: sich auf verschiedene Charaktere einzustellen. Die Fähigkeit, sich auf die Gesprächspartner einzustellen und sie so zu nehmen, wie sie sind, ist etwas ganz Wichtiges. Das habe ich mit den Jahren gelernt.

Und welche persönlichen Erfahrungen oder Interessen können Sie als Objektleiter einer Erstaufnahmeeinrichtung gut einbringen?

Vielleicht ist es bei mir das Reisen: Ich bin immer gern gereist, meist als Rucksacktourist durch fremde Länder. So kam ich früh in Kontakt mit anderen Kulturen und Sprachen. Ich denke, es hilft einfach, einen Blick auf andere Kulturen zu haben, die Offenheit dafür zu haben.

Was sind in Ihren Augen die wichtigsten Eigenschaften, die man in Ihrer Position als Objektleiter der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt braucht?

Der Blick fürs Ganze. Einen großen Überblick über alle Prozesse zu haben, die Möglichkeit, sich auf verschiedene Gesprächspartner einzustellen. Wer das nicht kann, ist hier wahrscheinlich fehl am Platz. Außerdem ist Wertschätzung allen Beschäftigten gegenüber ganz wichtig, ihnen zu zeigen: „Ich interessiere mich für das, was du tust, und schätze das, und ich schreibe dir auch nicht vor, wie du das tust. Wenn du einen anderen Weg zum Ziel findest, dann finde ich das großartig.“

Wir sprachen bereits darüber, dass Sie ihre Stelle als Objektleiter in aufwühlenden Zeiten angetreten haben. Wie behalten Sie da einen kühlen Kopf?

Zum großen Teil liegt das an meinem Naturell. Ich bin ein gnadenloser Optimist. Auch in schwierigen Situationen denke ich: Es findet sich ein Weg. Zum Teil ist es aber auch erlernt. Ich glaube, man kann erlernen, lösungsorientiert zu arbeiten und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dazu kommt einfach Lebenserfahrung. Ich bin keine 20 mehr, sondern knapp über 50 und habe schon ein Berufsleben, ein Familienleben, ein Leben an sich.  

Welche besonderen persönlichen Begegnungen oder Momente mit Geflüchteten in der Einrichtung haben Sie in Erinnerung?

Wenn Bewohnende ihre Chancen nutzen, hier im Land zu bleiben, bedeutet mir das viel. Als ich in der Erstaufnahmeeinrichtung in Frankfurt (Oder) angefangen habe, gab es dort einen Bewohner aus dem Sudan. Er spricht Arabisch und Englisch, hat aber sehr viel Deutsch gelernt und hat in der Einrichtung oft für das Team der Sozialbetreuung gedolmetscht. Er ist bei uns jetzt als Hausbetreuer tätig. Das ist schön zu sehen: Wenn Menschen hierherkommen, ihre Chance nutzen, in diesem Land ihren Lebensmittelpunkt finden und das ganz aktiv betreiben. Wir haben mehrere Beschäftigte, die ihr Leben in Deutschland hier in der Erstaufnahmeeinrichtung begonnen haben.

Ein Händedruck zum Abschied (Symbolbild)

Erfahrungsschatz von über 30 Jahren: Dienstälteste Mitarbeiterin in der Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt geht in Rente

Seit 2016 ist die DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg-Ost im Auftrag des Landes Brandenburg in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Eisenhüttenstadt für zentrale Aufgabe wie Unterbringung, Versorgung, Sozialbetreuung und -beratung von Geflüchteten zuständig. Von Anfang an dabei im Team der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg-Ost war Sylvia Constantin. Nun geht die 66-jährige Hausbetreuerin zum 1. Oktober in Rente – und nimmt einen großen Erfahrungsschatz aus der Einrichtung mit.

So lange wie Sylvia Constantin hat kaum jemand in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Eisenhüttenstadt gearbeitet: 1991 stellte sie der damalige Betreuungsdienstleister an, zunächst als Rezeptionistin und in der Ambulanz als Dolmetscherin für Rumänisch. Auch bei Presseterminen in der Einrichtung war sie gefragt und dolmetschte für die Reporterinnen und Reporter, die auf dem Gelände der Einrichtung herumgeführt wurden.

Mitarbeitende mit Rumänischkenntnissen waren 1991 gefragt

Sylvia Constantins Mann ist Rumäne, auch er fing 1991 an, in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt zu arbeiten. Ein Großteil der Geflüchteten kam damals aus Rumänien in die Einrichtung, Mitarbeitende mit Rumänischkenntnissen wurden händeringend gesucht, berichtet Sylvia Constantin. „Sie haben mich gefragt, ob ich dort arbeiten könnte.“

Konnte sie: Sylvia Constantin spricht fließend Rumänisch. Sie und ihr Mann hatten fast zehn Jahre in Rumänien gelebt, bevor sie Mitte der 1980er Jahre nach Eisenhüttenstadt zurückkehrten, in die Heimatstadt von Sylvia Constantin. Die Träger für die Betreuung der Geflüchteten in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt wechselten über die Jahre mehrfach. Sylvia Constantin wurde immer wieder übernommen.

Hausbetreuerin bei der DRKFlüchtlingshilfe Brandenburg-Ost

Bei der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg-Ost war sie als Hausbetreuerin angestellt und mochte ihre Arbeit mit vielfältigen Aufgaben immer: Hygieneartikel an die Bewohnenden ausgeben; bei Fragen unterstützend zur Seite stehen oder an die richtige Stelle weiter verweisen; erklären, wie der Transfer in eine andere Einrichtung abläuft; Zimmer für neue Bewohnende vorbereiten. „Manche kommen auch und wollen einfach nur reden, brauchen mal einen Ansprechpartner“, erzählt Sylvia Constantin. Da gehe es oft um Privates, etwa Sorgen um Familienangehörige, die noch in den Herkunftsländern sind. Für die Hausbetreuerin hieß es dann: erst einmal zuhören, und die Menschen dann mit dem Team Sozialbetreuung verbinden.

Das Schönste an der Arbeit: der Umgang mit den Menschen

Was ihr in den über dreißig Jahren am meisten Freude gemacht hat? „Der Umgang mit den Menschen aus vielen unterschiedlichen Nationalitäten.“

Nun freut sich die dienstälteste Mitarbeiterin der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg-Ost in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Eisenhüttenstadt auf mehr Zeit mit ihrer Familie, im Garten und vor allem: mit den Enkelkindern.

 

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