Objektleiter der Erstaufnahmeeinrichtung Doberlug-Kirchhain: „Unser Mitarbeiter“ Sebastian Berg im Gespräch

Objektleiter der Erstaufnahmeeinrichtung Doberlug-Kirchhain: „Unser Mitarbeiter“ Sebastian Berg im Gespräch

Sebastian Berg ist Objektleiter in der Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain. Im Gespräch hat er uns verraten, was es überhaupt heißt, Objektleiter zu sein und warum er sich so gerne an eine Begegnung mit einem ehemaligen Bewohner erinnert.

Hallo Herr Berg, wie sind Sie eigentlich Objektleiter in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Doberlug-Kirchhain geworden?

Es ist so: Am 1. September 2018 begann ich meine Tätigkeit als Verwaltungsleiter in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) in Doberlug-Kirchhain. Knapp ein halbes Jahr später, also ab dem 1. Juni 2019, übernahm ich die Verwaltungsleitung für die gesamte DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg gGmbH und war somit auch für den Standort in Wünsdorf verantwortlich. Bereits in dieser Zeit vertrat ich gelegentlich den amtierenden Objektleiter der EAE in Doberlug-Kirchhain.

2020 wurde die Stelle des Objektleiters in Doberlug-Kirchhain dann neu ausgeschrieben. Durch die bereits bei mir entwickelten Visionen für den Standort, verschiedenen Ideen und die Kenntnisse über die Teamstruktur habe ich entschieden, mich zu bewerben. Diese Ausschreibung habe ich gewonnen und bin seit dem 1. November 2020 der verantwortliche Objektleiter.

Wie schaut überhaupt der Arbeitsalltag eines Objektleiters aus?

Die wichtigsten Aufgaben eines Objektleiters sehe ich darin, dass man immer den Überblick über das Geschehen in der Einrichtung behält und in den jeweiligen Situationen nach bestem Wissen und Gewissen reagieren kann. Dazu ist es unablässig, vertrauensvoll mit den jeweiligen Teamleitungen und auch allen Mitarbeitenden zusammenzuarbeiten. Neben dem Überblick über das große Ganze ist aber auch das Fachwissen von Bedeutung. Es hilft mir Zusammenhänge zu verstehen. Ich versuche mich, so gut es geht, in alle Abteilungen einzuarbeiten.

Können Sie einmal grob aufzählen, was zu Ihren Aufgaben gehört?

Zu meinen täglichen Aufgaben gehören zum Beispiel:

  • Führung der Teamleitungen,
  • Kommunikation mit der Zentralen Ausländerbehörde, dem Innenministerium des Landes Brandenburg, der Kommune, dem Landkreis, dem Bürgermeister von Doberlug-Kirchhain,
  • Gesamtbild der EAE im Blick haben,
  • Verantwortung für die Arbeit vor Ort übernehmen,
  • enge Zusammenarbeit mit Partnern und Subunternehmen,
  • Umsetzung der Vorgaben von Auftraggebern sowie der Geschäftsführung der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg,
  • Leiter des Pandemiemanagements vor Ort,
  • Schnittstelle zur Behördenleitung.

Gibt es als Objektleiter so etwas wie einen typischen Arbeitsalltag?

Den gibt es eigentlich nicht, da situatives Handeln zu meinen täglichen Aufgaben gehört. Ich starte meinen Arbeitstag meist um 8 Uhr mit der persönlichen Vorbereitung, der Berichterstattung durch die einzelnen Teamleiter, Sichtung der Lage und eventueller Ereignismeldungen der vergangenen Nacht, bevor ich ab 9 Uhr in verschiedenen Meetings mit Behörden oder Teams vor Ort gehe.

Danach arbeite ich meine persönliche Arbeitsplanung für den jeweiligen Tag ab. Die Arbeit endet aber nicht mit dem Heimweg, je nach Arbeitsintensivität gegen 17 Uhr, sondern ich bin telefonisch rund um die Uhr erreichbar. Trotz dieser Arbeitsbelastung ist mir meine Work-Life-Balance enorm wichtig und ich versuche, sie einzuhalten.

Wie beurteilen Sie ihren Start als Objektleiter der Einrichtung?

Da ich bereits im Vorfeld als Verwaltungsleitung in der Einrichtung in Doberlug-Kirchhain tätig war, fiel mir der Vertrauensaufbau zu den Mitarbeitenden sehr einfach. Ich wurde von Anfang an von allen unterstützt und akzeptiert. Auch die Teamleitungen trugen sofort die Entscheidung der Geschäftsführung für meine Person mit und unterstützten mich in der Einarbeitungsphase.

Von außen wurde ich erst einmal getestet, aber auch dies ist meiner Meinung nach normal, wenn man als verhältnismäßig junger Objektleiter neu beginnt. Die größte Herausforderung war für mich die Corona-Pandemie. Als Pandemie-Manager mussten viele – teilweise auch unangenehme – Entscheidungen getroffen werden. Als Team haben wir dies aber sehr gut gemeistert.

Was beschäftigt Sie derzeit als Objektleiter der Einrichtung am meisten?

Das Hauptproblem in der täglichen Arbeit ist und bleibt die Bewältigung der Einschränkungen der Corona-Pandemie. Zum Glück lockern sich derzeit (Stand: Anfang Juni 2021) viele Maßnahmen und auch in der EAE können einzelne Einschränkungen schrittweise zurückgenommen werden.

Ein zweites großes Problem ist die Perspektivlosigkeit vieler Bewohnenden. Hier gilt es mit verschiedenen Maßnahmen gegenzusteuern. Das ist nicht immer einfach und fordert alle Mitarbeitenden und die einzelnen Teams täglich aufs Neue heraus. Da wir ein sehr gutes, junges, dynamisches und flexibles Unternehmen mit einer hochmotivierten Mitarbeiterschaft sind, können wir gezielt auf Problemlagen reagieren und mit gezielten Maßnahmen die Motivation und den Ehrgeiz in der Bewohnerschaft wecken.

Inwiefern haben Sie als Objektleiter Kontakt zu Bewohnerinnen und Bewohnern?

Ein direkter Kontakt ist für mich eine der wichtigsten Instrumente meiner täglichen Arbeit. Mein Anspruch ist es, mehrmals pro Woche mit Bewohnenden ins Gespräch zu kommen. Nur so kann ich die Probleme und den Stand der Dinge genau feststellen und mein Handeln sowie das meiner Mitarbeitenden danach ausrichten. Parallel gibt es alle zwei Wochen das Mentoren-Meeting, in dem ich durch die Mentoren immer die Problemlagen geschildert bekomme und entsprechend reagieren kann.

Neu eingeführt ist der monatliche Rundgang durch alle Zimmer in Begleitung der Hausbetreuung und der Sozialberatung. Auch dabei kann man sehr gut mit den einzelnen Bewohnenden ins Gespräch kommen. Für alle Bewohnenden und Mitarbeitenden ist auch ein Kummerkasten angebracht, in dem anonym Hinweise oder Beschwerden eingeworfen werden können. Sowieso steht meine Tür für alle in der Einrichtung jederzeit offen. Sollte ich mal keine Zeit haben, wir zeitnah ein Gesprächstermin vereinbart.
Ich spreche Englisch und ein wenig Französisch.

Wenn Sie einen Wunsch für die Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain frei hätten: Welcher wäre es?

Den gibt es nicht. Sofern ich und mein Team Dinge feststellen, die geändert, geschaffen oder gelöst werden müssen, so versuchen wir alles in unser Macht Stehende, um dies umzusetzen. Wenn das nicht möglich ist, müssen wir Alternativen finden. Mit politischen und rechtlichen Vorgaben muss man arbeiten, ob man sie gut oder schlecht findet. Sie sind die Grundlagen unseres Handelns.

Grundsätzlich kann man immer alles im Leben schneller, besser und toller machen. Wir sollten jedoch häufiger auf unsere geleistete Arbeit schauen, uns auf die Schulter klopfen und stolz auf das sein, was wir sind und was wir haben. Perspektivisch wünsche ich mir selbstverständlich das Weiterbestehen der EAE unter dem Mantel des DRK über den November 2022 hinaus.

Möchten Sie eine kurze Geschichte oder über einen Moment aus dem Alltag in der EAE erzählen, an Sie sich gerne erinnern?

Ich erinnere mich gerne daran, wie ich mit meiner Familie im Park in Finsterwalde spazieren war. Ich sah von weitem eine Gruppe junger Leute auf einer Decke sitzen. Sie genossen ebenfalls das schöne Wetter und hatten sichtbar Spaß. Dann stand ein junger Mann auf und kam direkt auf mich zu. Man muss dazu sagen, dass wir etwa eine Entfernung von 400 Metern hatten und ich kaum die Personen erkannte. Der junge Mann jedoch wusste genau, wer ich bin.

Als er vor mir stand, strahlte er aus tiefstem Herzen. Das Gesicht kam mir bekannt vor. Er sagte mit gebrochenem Deutsch, dass er einmal Bewohner in unserer Einrichtung war. Nun lebt er in Berlin, hat eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker begonnen und besuchte gerade Freunde in Finsterwalde. Ihm geht es sehr gut und das hat er alles „uns“ zu verdanken. Aufgrund der Corona-Lage war leider nur eine „Faust an Faust“ als Glückwunschgeste möglich. Der Moment wäre jedoch definitiv für eine Umarmung bestimmt gewesen.

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