Gut vorbereitet in den deutschen Alltag

Gut vorbereitet in den deutschen Alltag: Eltern-Kind-Gruppe in Zützen

Seit Oktober 2015 bietet der DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald den Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Zützen eine „Eltern-Kind-Gruppe“. Das familienunterstützende Angebot bereitet die Kinder und auch ihre Eltern auf das für sie oft unbekannte Modell Kita vor, bietet ihnen sozialpädagogische Unterstützung und führt sie spielerisch an die deutsche Sprache heran.

Montag 9.15 Uhr. Im Erdgeschoss der DRK-Gemeinschaftsunterkunft in Zützen herrscht ein fröhliches Durcheinander. Zwei Kinder breiten sich entspannt auf einem Teppich aus. Im Einkaufsladen wird gerade gekocht, es gibt Holzgemüse aus der Pfanne. Fünf Mütter sitzen am Tisch, beobachten die Szenerie und schwatzen gemütlich durcheinander.

„Es ist schön zu sehen, wie sich die Familien durch das Angebot öffnen, Sprachbarrieren überwinden und aufeinander zugehen“, freut sich Anke Blobel-Homagk. Die 48-Jährige Sozialpädagogin leitet seit Anfang 2016 die Eltern-Kind-Gruppe in der Gemeinschaftsunterkunft. 14 Familien aus sieben unterschiedlichen Nationen vereint das Angebot zurzeit. Am Anfang wurde in der Gruppe nur wenig gesprochen, mittlerweile ist die Stimmung herzlich und auch neue Familien werden schnell integriert.

An fünf Tagen in der Woche treffen sich die Kinder und Eltern der Eltern-Kind-Gruppe, um gemeinsam zu spielen und unter fachlicher Anleitung und Unterstützung neue Erfahrungen zu sammeln. Das Angebot soll die Familien an das für sie oft unbekannte Modell Kita heranführen und Kinder und deren Eltern beim Ankommen in Deutschland gleichermaßen unterstützen. „Ob sich geflüchtete Kinder in ihrem neuen Alltag gut zurechtfinden oder nicht, ist in der Regel stark davon abhängig, wie der Integrationsprozess bei den Eltern gelingt“, sagt Blobel-Homagk. Je mehr die Erziehungsmodelle in deutschen Kitas verstanden werden, desto eher sind die Eltern auch in der Lage, ihre Kinder im System Kita zu unterstützen. „Im normalen Kita-Alltag fühlen sich viele Familien abgehängt und bringen sich aus Unsicherheit nicht ein. Das geht nicht nur Familien mit Migrationshintergrund so“, weiß auch Projektinitiatorin Simone Klawonn vom DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald. Das Angebot steht deshalb nicht nur Familien mit Fluchthintergrund offen. „In der Eltern-Kind-Gruppe bieten wir allen Familien aus der Umgebung sozialpädagogische Unterstützung und einen geschützten Raum, um sich auf Augenhöhe mit Erziehungskonzepten vertraut zu machen.“

Kurz nach halb Zehn. Im Morgenkreis starten die Kinder mit Erzieherin Renate Kloas in den Kita-Tag. „Wer weiß was das ist?“, fragt Kloas und hält einen großen bunten Würfel mit Tiermotiven in die Höhe. „Hase“, sagt eines der Kinder. „Ja, richtig, was macht der Hase?“, „malt Eier“, schallt es aus der Runde zurück. Jetzt klinken sich auch die Eltern in das Sprachquiz mit ein. Die Eltern-Kind-Gruppe ermöglicht es den Familien, die deutsche Sprache gemeinsam und alltagsintegriert zu erlernen. „Unsere Eltern sprechen mittlerweile besser Deutsch als die meisten anderen Bewohner der Unterkunft“, sagt Kloas später.

Zu den fünf Frauen aus Tschetschenien, Syrien und dem Iran hat sich inzwischen auch ein Vater aus der Türkei gesellt. Auf den Handys werden Bilder von Kindern in Kostümen ausgetauscht. Die Frauen kichern. Während Renate Kloas sich voll und ganz auf die Kinder konzentriert, setzt sich Anke Blobel-Homagk zu den Eltern an den Tisch und erkundigt sich, wie es ihnen geht. Blobel-Homagk und Kloas stehen den Familien nicht nur bei Erziehungsfragen zur Seite, sondern unterstützen sie auch bei alltagspraktischen Themen, wie Gesundheit, Ernährung, Bildungssystem, Ämter- und Behördengängen. Kommt es zu Verständigungsproblemen, greifen sie auch schon mal selbst zum Hörer. Auch die Vermittlung zu familienunterstützenden Diensten ist ein fester Bestandteil der Eltern-Kind-Gruppe. Hier geht es vor allem darum, aufzuklären und Berührungsängste abzubauen. „Das Jugendamt ist zum Beispiel für viele Familien erst einmal ein rotes Tuch, weil sie irgendwo gehört haben, dass das Amt Kinder aus den Familien holt“, sagt Blobel-Homagk. Die Aufklärungsarbeit macht den Eltern deutlich, dass familienunterstützende Dienste nicht gegen, sondern für sie arbeiten und dass es ok ist, sich auch mal Hilfe zu holen.

Die Eltern-Kind-Gruppe bietet einen geschützten Rahmen, in dem das ganze System Familie intensiv begleitet wird. Um den gesellschaftlichen Integrationsanspruch zu erfüllen, soll das Angebot aber trotzdem kein Dauerarrangement sein. „Ziel ist es, den Übergang zum normalen Kitabetrieb zu erleichtern und die Familien in die umliegenden Kitas zu vermitteln“, so Blobel-Homagk. In der Praxis ist das aber gar nicht so einfach: Die meisten Kitas sind bereits voll belegt oder für die Eltern aufgrund der Entfernung nicht erreichbar. Umso mehr freuen sich Anke Blobel-Homagk und Renate Kloas über die Kooperation mit der Kita „Zwergenland“ in Kasel-Golzig: „Wir haben mittlerweile insgesamt 10 Kinder in die Kita vermittelt und es gibt auch sonst einen sehr regen Austausch mit den Kindern, Erziehern und Eltern der Einrichtung“, berichtet Kloas. Gemeinsam werden Ausflüge und interkulturelle Feste organisiert, im Herbst gab es zum Beispiel einen gemeinsamen Laternenumzug im Ort und die Kinder besuchen sich gegenseitig in ihren Kitas.

Anke Blobel-Homagk wird die Eltern-Kind-Gruppe Ende des Monats verlassen. Der Abschied ist tränenreich, nicht nur für die Familien. „Ich habe in meinen 25 Jahren Berufsleben noch nie so viel Freundlichkeit und Dankbarkeit zurückbekommen wie hier“, sagt sie. Ab Mai wird sie die Leitung der DRK-Kita Waldkobolde in Walddrehna übernehmen. Auch dort gibt es einen hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund. Den Träger will sie nicht mehr wechseln. „Das DRK ist gegenüber seinen Mitarbeitern sehr wertschätzend, super vernetzt und fachlich einfach toll aufgestellt“, sagt sie. Ihr neuer Arbeitsplatz ist nicht weit entfernt und sie will die Familien weiterhin besuchen. Mit ihrer Nachfolgerin schmiedet Anke Blobel-Homagk bereits erste Pläne für eine Zusammenarbeit.

Text und Bild: Jolina Flötotto

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