Im Gespräch mit Save the Children Deutschland

Im Gespräch mit Save the Children Deutschland

„Geflüchtete Kinder brauchen eine Umgebung, die sie wieder Kind sein lässt“

Seit 2016 kooperiert die vom DRK geführte Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt mit der Kinderrechtsorganisation Save the Children (STC). Gemeinsam wurden in der Unterkunft mehrere Projekte zum verbesserten Schutz von Kindern auf den Weg gebracht. Wir haben mit Weneta Suckow und Stefanie Fried von STC über den aktuellen Stand der Kooperation gesprochen

Was gibt geflüchteten Kindern wieder Halt im Leben? Was kann eine Erstaufnahmeeinrichtung dazu beitragen?

Geflüchtete Kinder brauchen in erster Linie eine Umgebung, die sie wieder Kind sein lässt. Zentral hierfür sind Routinen und Strukturen, auf die sich die Kinder in einer von Unsicherheit geprägten Zeit stützen können. Zum Beispiel verlässliche Ansprechpartner, eine strukturierte Kinderbetreuung oder altersspezifische Spiel- und Freizeitaktivitäten.

Kinder brauchen Rückzugsorte die ihnen und ihrer Familie ausreichend Privatsphäre und Ruhe bieten. Darüber hinaus braucht es innerhalb der Unterkünfte Orte, die ihnen das Spielen mit anderen Kindern und das Knüpfen von sozialen Kontakten ermöglichen. Dazu gehört auch der Erwerb der deutschen Sprache, der ihnen den Kontakt zu anderen Kindern aus anderen Ländern innerhalb der Unterkunft und zu Kindern aus der Umgebung erleichtert.

Was wurde im Rahmen der Kooperation in den letzten zwei Jahren erreicht?

Um uns einen Überblick zu verschaffen, haben wir am Standort Eisenhüttenstadt zunächst eine Kinderrechtssituationsanalyse und anschließend eine vertiefende Kinderschutzrisikoanalyse durchgeführt. Auf Grundlage der Ergebnisse wurden dann in enger Zusammenarbeit mit dem DRK bedarfsgerechte Maßnahmen initiiert. Gleichzeitig wurde durch sogenannte Prozessbegleiterinnen ein Rahmen geschaffen, in dem sich Unterkünfte über ihre Arbeit und Best-Practice Beispiele austauschen können. Die Erfahrungswerte können sie in ihre eigene Arbeit miteinbringen.

Im Rahmen des Projekts „Kinderschutz und psychologische Erste Hilfe für geflüchtete Kinder“ erhielten 50 DRK-Mitarbeitende in der Erstaufnahme und ihren Außenstellen eine Fortbildung in psychologischer Erster Hilfe - Ein Konzept, das Mitarbeitenden Handlungssicherheit im Umgang mit Kindern geben soll, die belastende Situationen durchlebt haben. Die Mitarbeitenden wurden darin gestärkt, Anzeichen für psychische Belastungen zu erkennen, zu wissen, wann an externe Stellen weiterverwiesen werden muss und darin geschult, Kinder durch einfache Maßnahmen zu stabilisieren.

Zentrales Element der Kooperation ist aber die Finanzierung und Qualifizierung einer Kinderschutzfachkraft in der Erstaufnahmeeinrichtung. Durch die Ausbildung zur „insoweit erfahrenen Fachkraft“ und der fachlichen Anleitung durch Save the Children wurde eine Mitarbeiterin ausgebildet, die nun als feste Ansprechpartnerin bei der Bearbeitung von Kinderschutzfällen in der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt und auch den Außenstellen zur Verfügung steht.

Generell sind die Standards zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im DRK hoch. In der vom DRK geführten Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt spiegelt sich das auch in der professionellen Grundhaltung der Mitarbeiter wider und in ihrer großen Bereitschaft, Veränderungen aktiv mitzugestalten. Das hat unsere Arbeit sehr erleichtert. Die Frage war also weniger, welche Standards zum Schutz von Kindern geschaffen werden müssen. Vielmehr ging es darum herauszufinden, wie wir die bestehenden Standards gemeinsam noch weiter verbessern können.

In Eisenhüttenstadt wurden zudem sogenannte „Child Friendly Spaces“ geschaffen. Was ist darunter zu verstehen?

Child-Friendly Spaces, zu Deutsch Schutz- und Spielräume, sind Teil eines international etablierten Kinderschutzkonzeptes-, mit dem Ziel, den Schutz von Kindern während Not- und Krisensituationen sicherzustellen. Anhand gezielter Aktivitäten, fortgebildeten Betreuern und eines bedarfsorientierten Raumkonzepts können wir Kindern eine stabilisierende Routine geben und sie in ihrer Resilienz stärken. In Eisenhüttenstadt waren solche Räume und pädagogisches Personal bereits vorhanden. In Bezug auf das Kinderraumkonzept haben wir das DRK durch ein mobiles Team beraten, beispielsweise, wie verschiedene Rückzugsräume geschaffen werden können. Zudem haben wir die Einrichtung mit weiteren Möbeln und Materialien ausgestattet.

Beim Spielen, Basteln, Singen oder Toben finden die Kinder wieder Entspannung, verspüren Sicherheit und Ruhe und öffnen sich mitunter in Bezug auf ihre Erlebnisse und Gefühle. Die Mitarbeiter sind durch entsprechende Fortbildungen darauf vorbereitet und können durch ihr erworbenes Wissen in der psycho-sozialen Unterstützung die geschilderten Erlebnisse und darin enthaltenen Themen abfangen und angemessen darauf reagieren.

Zum Abschluss der Kooperation in diesem Sommer ist die gemeinsame Entwicklung eines Unterbringungs-TÜV für Kinder geplant. Worum geht es?

Hintergrund des Projekts ist die Feststellung, dass es in Unterkünften für Geflüchtete in Deutschland keine bundesweiten einheitlichen Standards für die Unterbringung von Kindern gibt. In vielen Einrichtungen sind die Standards zu niedrig oder sogar überhaupt nicht vorhanden. Der Unterbringungs-TÜV soll es Betreibern ermöglichen, ihre Unterbringung anhand verschiedener Fragen und Checklisten auf kindgerechte Aspekte hin zu überprüfen und zu bewerten. Somit wird sichtbar, in welchen Bereichen die Qualität der Unterbringung von Kindern und Eltern bereits einem hohen Standard entspricht und wo noch Maßnahmen zur Verbesserung nötig sind. Gleichzeitig können strukturelle Herausforderungen aufgezeigt werden.

Das Instrument wird derzeit in enger Kooperation mit der Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt, der ebenfalls vom DRK-Brandenburg betriebenen Gemeinschaftsunterkunft in Luckau, den Erstaufnahmeeinrichtungen Halberstadt und Klietz, zwei Gemeinschaftsunterkünften in Dortmund und Köln sowie externen Experten entwickelt. Die beteiligten Einrichtungen bringen ihre vielfältigen Erfahrungen in die Entwicklung mit ein und ermöglichen so eine praxistaugliche Ausrichtung des Instrumentes.

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