Warum die vorausschauende humanitäre Hilfe immer wichtiger wird

Die Zahl und Intensität von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Dürren und Starkregen hat sich aufgrund des Klimawandels in den letzten Jahren merklich erhöht und wird weiter deutlich zunehmen. In diesem Zusammenhang betont das Deutsche Rote Kreuz (DRK) zum Welttag der Humanitären Hilfe am 19. August die wachsende Bedeutung der vorausschauenden humanitären Hilfe. „Wenn wir schon vor Eintritt eines Extremwetterereignisses und frühzeitig direkt an den laut Vorhersagen am stärksten bedrohten Orten handeln können, können wir Menschen sowie ihr Hab und Gut besser schützen und verursachtes Leid erheblich verringern“, sagt DRK-Generalsekretär Christian Reuter.

Der im August veröffentlichte Bericht des Weltklimarats zeigt, dass die vom Menschen verursachte Erderwärmung bereits etwa 1,1°C beträgt. Dadurch kommt es immer häufiger zu Extremwetterereignissen und Katastrophen – wie zuletzt Überschwemmungen in der Türkei, Dürre in Somalia, oder Waldbrände in Griechenland.

Dass der Bedarf für humanitäre Einsätze dabei nicht nur in entfernten Regionen, sondern auch vor der eigenen Haustür entstehen kann, zeigen die Juli-Hochwasser in Deutschland. „Solche Katastrophen, in denen nur wenige Stunden oder Tage bleiben, um die Bevölkerung in Sicherheit zu bringen, unterstreichen, wie wichtig es ist, humanitäre Hilfe vorrausschauend zu planen und umzusetzen. Um im Ernstfall schnell reagieren zu können, müssen alle Abläufe schon vorher festgelegt sein und Hilfsmaßnahmen nahezu automatisch anlaufen, wenn eine Warnung eintrifft,“ sagt Reuter.

Das Ziel: Menschen helfen, schon bevor die Katastrophe passiert

Im Kontext der vorausschauenden humanitären Hilfe hat das DRK den Ansatz der vorhersagebasierten Finanzierung (Forecast-based Financing, FbF) entwickelt. Basierend auf der Analyse früherer Extremwetterereignisse und bestimmter Risikofaktoren wie z. B. Armut, werden Schwellenwerte identifiziert, die auf eine hohe Gefährdung der Bevölkerung hindeuten.

Zeigen die Vorhersagen an, dass diese Schwellenwerte erreicht werden, werden automatisch Mittel und Hilfsleistungen bereitgestellt, um vorab geplante Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die sich je nach Naturgefahr und Region unterscheiden.

„Bei schweren Überschwemmungen in Bangladesch im Juli 2020 konnten wir gemeinsam mit dem Bangladeschischen Roten Halbmond (BDRCS) 4.500 stark gefährdeten Familien bereits vor der Katastrophe Hilfe zukommen lassen und sie so dabei unterstützen, ihre Nutztiere sowie ihr Hab und Gut vor der Überschwemmung zu schützen“, sagt Reuter.

+++Update+++: So können Sie afghanischen Ortskräften in der Einrichtung in Doberlug-Kirchhain am besten helfen

Das Land Brandenburg übernimmt die Erstaufnahme afghanischer Ortskräfte. Am 20. August 2021 sind darum die ersten Menschen nach der Flucht aus Afghanistan in der Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain angekommen. Wir bedanken uns für die vielen Spenden, die dafür gesorgt haben, dass die afghanischen Ortskräfte vor Ort versorgt sind.

Nachdem am 20. August 2021 die ersten rund 60 afghanischen Ortskräfte in der Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain eingetroffen waren, leben mittlerweile (Stand: 24. August 2021) 263 gerettete Menschen aus Afghanistan dort.

Vor Ort kommen die Menschen nach der Ankunft in eine dreitägige Quarantäne, bevor sie nach insgesamt vier bis fünf Tagen auf die Bundesländer verteilt werden sollen. Es wird davon ausgegangen, dass in regelmäßigen Abständen weitere Menschen aus Afghanistan in Doberlug-Kirchhain ankommen.

Aufgrund der hohen Spendenbereitschaft sind die Ortskräfte aber mittlerweile komplett mit Kleidung, Babysachen, Rucksäcken, Spielzeug etc. versorgt.

An dieser Stelle nochmals einen herzlichen Dank für jede Spende sowie jede Person, die sich für die afghanischen Ortskräfte und damit Menschen in Not engagiert. Wir als DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg sind maximal dankbar für die Unterstützung – und die geretteten Menschen aus Afghanistan noch viel viel mehr.

  • Dieser Beitrag wurde in der Hauptfassung zum ersten Mal am 20. August 2021 veröffentlicht, wurde am 24. August 2021 erstmals und am 1. September 2021 zum vorerst letzten Mal aktualisiert.

+++Update+++: Afghanischen Ortskräfte in der Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain erfahren große Unterstützung

Schon vor Ankunft der ersten afghanischen Ortskräfte in der Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain am 20. August 2021 meldeten sich erste Privatpersonen aus der Stadt bei den Rotkreuz-Mitarbeitenden. Als dann in Medienberichten am Donnerstag dazu aufgerufen wurde, die Menschen aus Afghanistan sowie die DRK-Mitarbeitenden in Doberlug-Kirchhain zu unterstützen, meldeten sich jede Menge Menschen und halfen mit Spenden. Wir bedanken uns für die vielen Spenden, die dafür gesorgt haben, dass die afghanischen Ortskräfte vor Ort versorgt sind.

„Das ist einfach nur der Wahnsinn“, sagt Veit Klaue, der sämtliche Spendenanfragen für afghanische Ortskräfte in der Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain koordiniert. Sein Telefon hat in den vergangenen Tagen nicht stillgestanden – und jeden Tag melden sich weitere Menschen bei ihm.

Wie hoch die Spendenbereitschaft ist, zeigte sich auch am Samstagvormittag (21. August 2021) an der Geschäftsstelle der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg in Potsdam. Von 10 bis 12 Uhr konnten Interessierte dort ihre Spenden abgeben, die anschließend nach Doberlug-Kirchhain gefahren wurden.

„Unser dafür eingesetzter Transporter war bis oben hin voll mit Spenden. Das war einfach fantastisch“, schildert Christa Milkau, Teamassistenz bei der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg. Am Ende kamen so viele Spenden zusammen, sodass noch ein weiteres Fahrzeug den Transporter in Richtung Doberlug-Kirchhain begleitete.

Hohe Spendenbereitschaft für die afghanischen Ortskräfte in Doberlug-Kirchhain

Mittlerweile (Stand: 25. August 2021) leben rund 260 afghanische Ortskräfte in der Einrichtung. Aufgrund der hohen Spendenbereitschaft sind diese aber mittlerweile komplett mit Kleidung, Babysachen, Rucksäcken, Spielzeug etc. versorgt.

Wo Sie Spenden für Erstaufnahmeeinrichtungen abgeben können

Hinweis an Menschen aus dem Landkreis Teltow-Fläming: Neben der Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain gibt es auch im Zossener Ortsteil Wünsdorf eine Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete, die derzeit dringend Kinderschuhe und Spielzeug für Kinder (möglichst keine Kuscheltiere oder Puzzles) benötigt.

  • Für Spenden für die Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Wünsdorf wenden sich bitte an Bettina Nathusius (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. oder telefonisch unter 033702 / 211 48 18).

An dieser Stelle nochmals einen herzlichen Dank für jede Spende sowie jede Person, die sich für die afghanischen Ortskräfte und damit Menschen in Not engagiert. Wir als DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg sind maximal dankbar für die Unterstützung – und die geretteten Menschen aus Afghanistan noch viel viel mehr.

EOK-Kurse: Warum Erstorientierungskurse für Bewohnende in Erstaufnahmeeinrichtungen so wichtig sind

In Erstorientierungskursen bekommen Geflüchtete das Handwerkzeug präsentiert, das ihnen den Alltag in Deutschland erklären, näherbringen und erleichtern soll. Neben Exkursionen in deutsche Supermärkte und Busfahrten lernen sie in den Kursen auch das Einmaleins der deutschen Sprache. Und bekommen einen Eindruck, was es heißt, in Deutschland zu leben.

Wenn Geflüchtete in den Außenstandorten der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf oder Doberlug-Kirchhain ankommen, haben sie meist einen langen und schweren Weg hinter sich gelassen, um dort und in Deutschland anzukommen.

Für die meisten, die zum Teil aus Kriegsgebieten geflohen sind, stellt die neue Heimat und das neue Umfeld eine enorme Herausforderung dar. Vor allem die Sprache – also Deutsch – nicht sprechen zu können, erschwert den Lebensalltag enorm. Wie also Geflüchteten das Ankommen in Deutschland erleichtern? Eine Antwort darauf sind die sogenannten Erstorientierungskurse, kurz: EOK-Kurse.

Diese finden auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete statt und können freiwillig besucht werden. Das Ziel: Ihnen Themen des Alltags in Deutschland zu präsentieren und beim Kennenlernen der neuen Umgebung helfen, wo dies möglich ist: Welche lokalen Besonderheiten gibt es? Wie funktioniert die medizinische Versorgung? Was gibt es beim Einkaufen zu beachten? Auch das Lernen der deutschen Sprache spielt in den EOK-Kursen eine große Rolle.

Arbeit mit Geflüchteten „gibt mir unheimlich viel zurück“

„Die Geflüchteten, die allgemein etwa sechs Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung sind, lernen Deutschland bei uns in verschiedenen Modulen kennen“, sagt Günter Falkenhahn. Er ist Koordinator der EOK-Kurse in der Einrichtung in Doberlug-Kirchhain.

Insgesamt sechs EOK-Kurse finden gleichzeitig statt. Ein Kurs umfasst 20 Stunden pro Woche über einen Zeitraum von rund vier Monaten. Meist besteht ein Kurs aus 15 bis 18 Teilnehmenden. Als Koordinator kümmert er sich um das Drumherum der Kurse, also: die Lehrkräfte, das Material, Abrechnungen, die Ausstattung der Räume.

Fällt eine Honorarkraft kurzfristig aus, springt er in EOK-Kursen ein und gibt Kurse. Seit 2018 ist er Mitarbeiter der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg. „Ich fand es spannend und wollte unbedingt mit Geflüchteten arbeiten. Ich hatte das Gefühl, dass genau diese Arbeit mich erfüllen könnte“, sagt Günter Falkenhahn. „Und das Schöne ist: Ich habe richtig gelegen. Es ist beeindruckend, wie unheimlich viel mir die Arbeit zurückgibt.“

Heraufordernde Sprachvermittlung für EOK-Lehrkräfte

Die größte Motivation seiner Arbeit schöpft er daraus, wenn Bewohnende wachsen, besser werden und alles ihnen Mögliche in Bewegung setzen, um sich selbst einen Alltag in Deutschland zu gestalten, ein Leben aufzubauen. Trotz aller Sorgen und Probleme, die sie zum Teil mit in die Erstaufnahmeeinrichtungen bringen: „Manche haben ihre Familie verloren, haben psychische Traumata zu verarbeiten, sind in großer Sorge wegen ihres unsicheren Aufenthaltsstatus. Andere kommen aus Ländern, in denen sie nicht das lateinische Alphabet gelernt haben“, sagt Günter Falkenhahn.

Das sei sowieso eine der größten Herausforderungen in den EOK-Kursen: die Sprachvermittlung. In den Kursen kann es vorkommen, dass Menschen mit verschiedenen sprachlichen Voraussetzungen diese machen, aber die Lehrkräfte alle gleich bedienen, fordern und fördern sollen.

Geflüchtete helfen Lehrkräften in EOK-Kursen

Was EOK-Kurse und die Arbeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen bewegen können, weiß Günter Falkenhahn, wenn er über sein Ausnahmetalent spricht: Yazeed Mubarak. Yazeed Mubarak kam als Geflüchteter aus dem Sudan in die Erstaufnahmeeinrichtung und arbeitet mittlerweile als administrativer Verwalter in der Einrichtung. „Er ist eine riesengroße Hilfe und so ein schlauer Typ. Das ist es eben: Unter den Bewohnenden sind so einige studierte, kluge Menschen, die große Lust haben, sich in Deutschland zu verwirklichen“, sagt er.

Manche, die ihre EOK-Kurse abschließen und weiter in der Erstaufnahmeeinrichtung leben, unterstützen später die Lehrkräfte in den EOK-Kursen. Sie geben anderen Geflüchteten Hilfestellungen, die ihnen selbst beim Ankommen in Deutschland geholfen haben. „Das schafft eine ganz andere Motivation in den EOK-Kursen. Allein, wenn sie ihnen damit die Angst vor der deutschen Sprache nehmen können, ist das von unschätzbarem Wert. Denn Deutsch ist der Schlüssel für jeden, um sozial in Deutschland anzukommen“, sagt Günter Falkenhahn.

„Es ist so wichtig, sich um die Menschen zu kümmern“

Auch außerhalb der Kurse hat er immer ein offenes Ohr für die Bewohnenden, hilft beim Ausfüllen von Behördendokumenten wie Arbeitserlaubnissen, Umverteilungsanträgen. „Es ist so wichtig, sich um die Menschen zu kümmern. Es ist mein persönlicher Ansporn, sie in Lohn und Brot zu bringen“, sagt der 58-Jährige.

Umso mehr wurmt es ihn, wenn hochtalentierte und clevere Bewohnende, die sich engagieren wollen, auf Transfer in die Brandenburger Kommunen gehen und dann die Förderung, die sie in der Erstaufnahmeeinrichtung erhalten haben, ins Stocken gerät oder ausbleibt. „Wenn ich einen Wunsch für die Geflüchteten frei hätte, wäre es, die Übergänge zwischen Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften zu verbessern“, sagt er.

Günter Falkenhahn ist sich sicher: Verbessern sich die Übergänge, fassen die Menschen auch in den Kommunen schneller Fuß, identifizieren sich mit ihrer Umgebung, hängen sich rein, wo Hilfe nötig ist – und bauen sich Stück für Stück ein eigenes Leben in Deutschland auf.

70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention: Mehr Aufmerksamkeit für Binnenvertriebene notwendig

Die Genfer Flüchtlingskonvention wird nach Einschätzung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) künftig an Bedeutung gewinnen. „Krieg, Konflikte, Verfolgung und Vertreibung führen dazu, dass sich immer mehr Menschen auf der Flucht befinden. Dass Menschen, die verfolgt werden, verbindliche Rechte gewährt werden, ist eine große Errungenschaft“, sagt DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt anlässlich des 70. Jahrestages der Genfer Flüchtlingskonvention am 28. Juli. Insbesondere die Zahl der Binnenflüchtlinge und Klimavertriebene habe in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. „Dieser Personenkreis fällt nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention und erhält keinen ausreichenden Schutz. Der Situation dieser Menschen müssen wir größere Aufmerksamkeit widmen. Hier ist die internationale Staatengemeinschaft gefordert, um für die Betroffenen langfristig Lebensperspektiven zu schaffen“, sagt Hasselfeldt weiter.

Die Zahl der Flüchtlinge, die unter das Mandat des Hochkommissars für Flüchtlinge der Vereinten Nationen fallen oder von Staaten anerkannt wurden, hat sich zwischen 2010 und 2019 von 10,5 auf 20,4 Millionen Menschen verdoppelt. Die meisten stammen aus Syrien, Südsudan, Myanmar und Venezuela. Die Zahl der Binnenflüchtlinge, die vor Konflikten innerhalb ihres Landes Zuflucht suchen, ist innerhalb von zehn Jahren von 24,9 auf 45,7 Millionen angestiegen. Hinzu kommt eine schwer schätzbare Zahl von Menschen, die aufgrund von Naturkatastrophen ihre Heimat verlassen haben. Das Deutsche Rote Kreuz hilft geflüchteten Menschen weltweit im Verbund mit anderen Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften und auch in Deutschland mit vielen unterschiedlichen Maßnahmen und Leistungen. „Gerade an den Grenzen, auch den EU-Außengrenzen, ist darauf zu achten, dass Rechte der Schutzsuchenden gewahrt werden“, sagt Hasselfeldt. Damit seien insbesondere das Recht, einen Asylantrag zu stellen und das Recht auf eine menschenwürdige Unterkunft gemeint.

Am 28. Juli 1951 wurde in Genf das „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ verabschiedet – die Genfer Flüchtlingskonvention. Sie legt fest, wer ein Flüchtling ist, nämlich eine Person, die aus begründeter Angst vor Verfolgung wegen „ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung“ ihr Heimatland verlassen hat und dort keinen Schutz finden kann. Zentral ist das sogenannnte „Non-Refoulement“-Gebot, wonach ein Flüchtling nicht in ein Land zurückgewiesen werden darf, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht sein würden.

 

Quelle: DRK e.V. https://www.drk.de/presse/pressemitteilungen/meldung/70-jahre-genfer-fluechtlingskonvention-drk-mehr-aufmerksamkeit-fuer-binnenvertriebene-notwendig/

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