Abschlussveranstaltung Fahrradtraining Wünsdorf

Fahrrad-Projekt für geflüchtete Frauen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf erfolgreich abgeschlossen

Fahrradfahren zur Stärkung von Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein: Das ist die Idee hinter dem Fahrradlern-Projekt, das die Brandenburgische Sportjugend in den vergangenen Wochen einmal wöchentlich geflüchteten Frauen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf angeboten hat.

Das Projekt unter der Leitung von Larissa Markus von der Brandenburgischen Sportjugend entstand aus der Beobachtung, dass viele geflüchtete Frauen in ihren Herkunftsländern Fahrradfahren nicht gelernt haben. Gründe dafür sind unter anderem der Mangel an Ressourcen oder Gelegenheiten. In einigen Ländern fehlt aber auch die gesellschaftliche Akzeptanz für radfahrende Frauen.

Die DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg ist dankbar über das empowernde Angebot für Frauen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf: Fahrradfahren kann ein kleiner Schritt in Richtung Selbstständigkeit und Unabhängigkeit sein und eine bessere gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Fahrradtraining speziell für geflüchtete Frauen ist der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg schon lange ein wichtiges Anliegen: Ähnliche Projekte haben wir in den vergangenen Jahren in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete in Brandenburg schon mehrfach angeboten.

Etwas Neues zu erlernen, stärkt zudem das Selbstbewusstsein der Frauen und verschafft ihnen Autonomie. Über sechs Wochen erlangten die teilnehmenden Frauen unter der Anleitung mehrerer Trainerinnen der Brandenburgischen Sportjugend Sicherheit im Radfahren. Sie erlernten in dem Kurs auch grundlegende Verkehrsregeln, um sicher auf den Straßen unterwegs zu sein.

Ein schöner Nebeneffekt: Die Bewegung an der frischen Luft und das Zusammensein mit anderen Frauen hat den Teilnehmerinnen viel Spaß bereitet. Sie alle waren begeistert von dem Projekt und würden gern weitere Fahrradtrainingsmöglichkeiten wahrnehmen.

Zum Abschluss des Projekts Ende Juli gab es für die Teilnehmerinnen Zertifikate, Fotos und Geschenke von der Brandenburgischen Sportjugend. Die DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg organisierte eine kleine Abschlussfeier für die Frauen mit Getränken, Snacks und Musik.

 

Christoph Wuthe arbeitet seit Juni 2022 im Team Haustechnik in der EAE in Wünsdorf.

Vom Rettungsschwimmer zum Haustechniker – Christoph Wuthe über seine Arbeit in der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf

Christoph Wuthe ist seit Juni 2022 im Team Haustechnik in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Wünsdorf. Zuvor hatte der gelernte Dachdecker lange auf dem Bau und zuletzt als Rettugsschimmer gearbeitet. Was er an seiner Arbeit bei der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg besonders schätzt, erzählt er hier.

Er habe die Chance, eingestellt zu werden, gar nicht so richtig gesehen, sagt Christoph Wuthe. Nicht etwa, weil er an seiner Qualifikation für die Stelle gezweifelt hätte. Sondern: wegen der Tätowierungen. Christoph Wuthe, 47 Jahre alt, offener Blick, den Körper voller Tattoos, Piercings hier und da, ein schmaler Streifen Haare auf dem Kopf, ist seit Juni neu im Team der Haustechnik bei der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Wünsdorf. Das mit den Tätowierungen – kein Problem, „hier werden alle gleich behandelt, egal ob schwarz, ob weiß, ob tätowiert oder nicht“, sagt er.

Als Pfarrerssohn in Wünsdorf aufgewachsen – und immer in der Region geblieben

Christoph Wuthe kommt aus der Region: Als Pfarrerssohn und einer von vier Brüdern ist er in Wünsdorf aufgewachsen, mit seiner Frau und den drei Kindern wohnt er immer noch in der Nähe. Wuthe ist gelernter Dachdecker, hat 20 Jahre lang auf dem Bau gearbeitet, zuletzt war er sieben Jahre lang als Rettungsschwimmer in einer Therme angestellt. Aber dann kam die Coronapandemie und damit Kurzarbeit. Zu unsicher, um eine Familie durchzubringen. Das Stellenangebot als Haustechniker bei der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg kam für Christoph Wuthe wie gerufen.

Dass es geklappt hat mit der Stelle, freut ihn aus ganz unterschiedlichen Gründen. Da ist zunächst die Abwechslung: „Fließbandarbeit – das könnte ich nicht“, sagt er. Für das siebenköpfige Team der Haustechnik in der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf gibt es keine Eintönigkeit. Rasenpflege, Heizung oder Sanitäranlagen reparieren – im Laufe des Tages kommen immer Aufgaben dazu. „Nicht an einer Stelle stehen: Dit is‘ schön, dit find ick jut“, sagt Christoph Wuthe.

Viele Sprachen, viele Kulturen als Bereicherung

Doch nicht nur wegen der Aufgaben ist er so glücklich über seine neue Stelle. Er schwärmt von dem guten Klima unter Kolleginnen und Kollegen, von dem Angebot an Fortbildungen und Kursen – und: von bereichernden Begegnungen mit den Bewohnenden. Viele Sprachen, viele Kulturen – Berührungspunkte damit hatte Christoph Wuthe schon als Rettungsschwimmer. Aber die noch größere Vielfalt in der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf begeistert ihn: „Hier werden nicht nur ein, zwei oder drei Sprachen gesprochen, wie ich es vom Rettungsschwimmen kenne, sondern viel mehr.“

Und trotzdem versteht man sich, betont Wuthe. Es gebe ja die universelle Sprache von Händen und Füßen. „Man lernt hier viel über andere Kulturen, allein durch Beobachten. Das ist hochinteressant“, sagt er. Es sei schön, wenn man hin und wieder ein paar Wörter aus fremden Sprachen aufschnappe.

Als ehemaliger Rettungsschwimmer gleich ins kalte Wasser geworfen

Berührungsängste bezüglich der Verständigung hat Christoph Wuthe schnell abgelegt. Als Rettungsschwimmer wurde er selbst ins kalte Wasser geworfen, als er an einem seiner ersten Arbeitstage eine Schulung zur Sicherheit am See für die Bewohnenden der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Wünsdorf geben sollte. Wie mache ich das? Verstehen die mich überhaupt? Die Fragen, die er sich vorab gestellt hatte, erwiesen sich als unbegründet. Und seitdem ist kein Tag vergangen, an dem er nicht gern zur Arbeit gegangen ist.

Christoph Wuthe sagt über sich: „Wenn mir etwas nicht passt, dann sage ich das auch. Aber das ist hier bis jetzt einfach noch nicht passiert.“

Unterstützung von traumatisierten Geflüchteten in der DRK - Erstaufnahmeeinrichtung Michaelisdorf in Darmstadt. Das Modellprojekt 'Step by Step' wurde durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration und dem Sigmund-Freud-Institut (SFI) in Zusammenarbeit mit dem DRK initiiert. Deutschkurs für Erwachsene; Autor: Jörg F. Müller/DRK

Resettlement gestartet: DRK in Erstaufnahmeeinrichtung Doberlug-Kirchhain betreut wieder Geflüchtete aus humanitärem Aufnahmeprogramm

Im vergangenen Jahr war die Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Doberlug-Kirchhain erstmals an dem sogenannten Resettlement-Programm beteiligt. Nun übernimmt die DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg dort erneut die vorübergehende Betreuung der Geflüchteten aus dem internationalen humanitären Aufnahmeprogramm.

„Resettlement“ steht für die Umsiedlung von besonders schutzbedürftigen Menschen, die aus ihren Herkunftsländern geflüchtet sind und an ihrem Aufenthaltsort in den sogenannten Erstzufluchtsstaaten keinen ausreichenden Schutz erhalten. Dabei handelt es sich meist um Menschen, die aufgrund ihrer rechtlichen und physischen Verfassung, ihres Alters (Kinder und ältere Menschen), ihres Geschlechts (alleinstehende Frauen) und ihrer Gewalt- oder Foltererfahrungen im Heimatland besonders zu schützen sind.

Enge Zusammenarbeit von Bundesregierung, UNHCR und IOM

Im Rahmen des Resettlement-Programms nimmt Deutschland seit 2012 jährlich ein Kontingent an besonders schutzbedürftigen Geflüchteten dauerhaft auf.  Den Resettlementbedarf stellt der Hohe Flüchtlingsrat der Vereinten Nationen (UNHCR) fest. Für die deutschen Resettlement-Verfahren arbeitet die Bundesregierung eng mit dem UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zusammen. Die operative Umsetzung der Aufnahmeverfahren regelt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Lange war eine Erstaufnahme im niedersächsischen Friedland die einzige Aufnahmeeinrichtung für Resettlement-Flüchtlinge in Deutschland. Ab 2021 ergänzte die Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg (ZABH) die fehlenden Aufnahmekapazitäten in Friedland: Zwischen Juli und Dezember 2021 kamen rund 1.700 Menschen im Abstand von zwei bis drei Wochen in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Doberlug-Kirchhain an.

DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg betreut die Geflüchteten und bereitet sie auf Weiterreise vor

In diesem Jahr geht es weiter: Die ersten Busse mit Geflüchteten aus dem Resettlement-Programm sind schon in Doberlug-Kirchhain angekommen. Mitarbeitende der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg betreuen die Neuankömmlinge vor Ort und bereiten sie auf ihre Weiterreise und das Leben und den Alltag in Deutschland vor.

Schon vor ihrem Flug nach Deutschland werden die Menschen über den Ablauf des Resettlement-Programms in Deutschland informiert. Während der Busfahrt vom jeweiligen Flughafen in die Erstaufnahmeeinrichtung erhalten sie weitere Informationen in ihrer jeweiligen Muttersprache. In der Einrichtung in Doberlug-Kirchhain werden sie mit einer Willkommensrede in Empfang genommen. Auf ihren Zimmern finden sie Lunchpakete, Bettwäsche sowie Hygieneartikel und Medikamente für zwei bis drei Wochen. Die Neuankömmlinge werden auf das Coronavirus getestet. Sofern kein Grund zur Quarantäne besteht, können sie in der Zeit, die sie in der Erstaufnahmeeinrichtung verbringen, alle Angebote wahrnehmen, die auch den anderen Bewohnenden offenstehen. Dazu zählen Beratungs-, Betreuungs- und Freizeitangebote.

Wegweiserkurse für Resettlement-Geflüchtete

Für die Geflüchteten aus dem Resettlement-Programm gibt es jedoch eine Besonderheit: Für alle ab 16 Jahren ist ein sogenannter Wegweiserkurs verpflichtend. Die Kurse sollen den Geflüchteten Orientierung bei ihrem Ankommen in Deutschland geben. Sie vermitteln Grundlagen zu Leben, Alltag und Kultur in Deutschland. Mitarbeitende der Sozialbetreuung der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg planen die Kurse mit 15 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten. Kulturmittlerinnen und Kulturmittler, die die Sprachen der Teilnehmenden kennen, führen die Kurse durch.

Geflüchtete aus dem Resettlement-Programm bleiben in der Regel rund zwei Wochen in der Erstaufnahmeeinrichtung und reisen dann in Kommunen im gesamten Bundesgebiet weiter. 

Quellen und weiterführende Informationen:

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Resettlement und NesT-Programm

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Infothek - Humanitäres Aufnahmeprogramm: Resettlement

https://www.bmi.bund.de/DE/themen/migration/asyl-fluechtlingsschutz/humanitaere-aufnahmeprogramme/humanitaere-aufnahmeprogramme-node.html

https://www.unhcr.org/dach/de/was-wir-tun/resettlement-und-humanitaere-aufnahme

Symbolbild: Jörg F. Müller/DRK

 

 

100. Plakat von „Trace the Face“: eine europaweite Aktion des Suchdienstes vom Roten Kreuz

„Ob das etwas bringt?“ Stefanie Lewis, Leiterin des DRK-Suchdienstes im DRK-Landesverband Brandenburg, erinnert sich, wie sie 2014 das erste „Trace the Face“-Plakat aufhängte. Fünf Portraitfotos waren darauf abgebildet, die Europakarte im Hintergrund noch gut zu erkennen. Fünf Menschen, die aufgrund von Flucht vor Krieg oder Katastrophe den Kontakt zu ihren Familienangehörigen verloren hatten. Fünf Schicksale von Tausenden, die auf diesem Weg versuchen, von ihren Angehörigen wieder gefunden zu werden.

„Trace the Face“ ist ein Plakat- und Online-Angebot, das das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) 2013 ins Leben gerufen hat. Menschen, die ihre Angehörigen auf der Flucht verloren haben und von ihnen gefunden werden wollen, können sich beim Suchdienst vom Roten Kreuz oder Roten Halbmond melden und ihr Foto für die Online-Plattform www.tracetheface.org für die weltweite Suche zur Verfügung stellen. Mittlerweile gab es über die Plattform schon rund 220 erfolgreiche Kontaktaufnahmen.

Ein „Trace the Face“-Plakat pro Monat

Daneben gibt es die Plakate: Einmal im Monat wird ein neues „Trace-the-Face“-Plakat erstellt. Jedes Plakat Porträtfotos von Menschen, die hoffen, darüber ihre Angehörigen zu finden. Die beteiligten Suchdienste der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften hängen die Plakate an Orten auf, wo sie von den Menschen, die sie ansprechen sollen, am besten gesehen werden – europaweit. Nun wurde das 100. Plakat erstellt und verteilt.

Als Stefanie Lewis 2014 das erste „Trace the Face“-Plakat in Brandenburg aufhängte – in der Ausländerbehörde, in Bürgerzentren, in Erstaufnahmeeinrichtungen –, fragte sie sich: „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass genau da jemand vorbeiläuft, der eine der Personen erkennt und Informationen über den Verbleib der Gesuchten geben kann? Doch gleich null, oder?“

Ein Anruf aus der Erstaufnahmeeinrichtung: „Trace the Face“ funktioniert!

Aber dann bekam sie einen Anruf: Ein Dolmetscher aus der Erstaufnahmeeinrichtung hatte jemanden erkannt! Es funktionierte also.

Seit 2014 ist einiges passiert in Brandenburg. Der DRK-Suchdienst hat sich weiter vernetzt und es gibt mittlerweile vier Suchdienstberatungsstellen im DRK-Landesverband Brandenburg.

16 neue Fotos pro Monat

Heute werden auf den Plakaten monatlich 16 neue Fotos veröffentlicht. Die Suchdienstberatungsstellen verschicken die Plakate per Mail an mittlerweile fast 200 Kooperationspartnern, wenn gewünscht aber auch per Post.

Der DRK-Suchdienst unterstützt Menschen, die durch bewaffnete Konflikte, Katastrophen, Flucht, Vertreibung oder Migration von ihren Nächsten getrennt wurden. Er hilft, Angehörige zu finden, sie wieder miteinander in Kontakt zu bringen und Familien zu vereinen.

Helfen Sie mit!

Sie kennen weitere Orte, die sich für das Aufhängen von „Trace the Face“-Plakaten eignen würden? Dann schreiben Sie eine Mail an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Yelizaveta Pivtoratska ist aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet und arbeitet jetzt bei der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg.

Von der Geflüchteten zur Helferin: Wie eine Ukrainerin Mitarbeiterin der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg wurde

Yelizaveta Pivtoratska ist mit ihrem zehnjährigen Sohn vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Mitte März kam sie über privat organisierte Freiwillige nach Potsdam, einen Monat später hatte sie eine Stelle bei der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg: In der Notunterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine in der Potsdamer Metropolishalle ist die Ukrainerin muttersprachliche Ansprechpartnerin für die Menschen, die dort vorübergehend untergebracht sind. Uns hat sie erzählt, weshalb sie ihre Arbeit so gern macht und was sie Deutschen antwortet, wenn diese sie nach ihren Plänen fragen.

Als Anfang März Europas größtes Atomkraftwerk in der ukrainischen Stadt Saporischschja beschossen wurde, wusste Yelizaveta Pivtoratska: Es ist Zeit, zu gehen. Sie beschloss, ihre Stadt, ihr Land, ihre Heimat zu verlassen. Gemeinsam mit ihrem zehnjährigen Sohn flüchtete die Ukrainerin aus Saporischschja zunächst nach Polen. In einer Flüchtlingsunterkunft kam sie dort per Zufall in Kontakt mit Freiwilligen aus Deutschland. Diese organisierten ihr und ihrem Sohn eine private Unterkunft zuerst in Rangsdorf, später in Potsdam und halfen ihr bei bürokratischen Angelegenheiten weiter.

Ansprechpartnerin für Ukraine-Geflüchtete in der Potsdamer Notunterkunft

Mitte Februar lebte Yelizaveta Pivtoratska noch ein ganz normales Leben in der Ukraine, Mitte März waren sie und ihr Sohn Geflüchtete in Deutschland, Mitte April hatte sie eine Arbeit in Potsdam: in der Notunterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine in der Metropolishalle in Babelsberg. Angestellt bei der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg, die die Unterkunft im Auftrag der Stadt Potsdam betreibt, ist Yelizaveta Pivtoratska muttersprachliche Ansprechpartnerin für die Menschen, die in der Notunterkunft untergebracht sind.

Dolmetschen ist aber nur eine ihrer vielen Aufgaben. Darüber hinaus zeigt sie den ukrainischen Geflüchteten in der Unterkunft, wo sie was finden, erklärt die Abläufe, nimmt Beschwerden und Wünsche entgegen – was eben  anfällt. „Die Menschen haben viele Fragen, jeden Tag“, sagt sie. Der Umgang damit fällt ihr leicht: In der Ukraine arbeitete sie im Kundenservice einer Fluggesellschaft. Mit Problemen und Beschwerden umzugehen, den Menschen weiterzuhelfen und sie zu beruhigen, war auch da Teil ihrer Arbeit.

Den Menschen aus der Ukraine einfach nur zuhören ist auch Teil ihrer Aufgabe

Dennoch ist die Arbeit bei der DRK-Flüchtlingshilfe für sie anders, oft emotional belastender. Auch einfach zuhören gehört zu ihren Aufgaben. „Die Menschen hier bringen viele Emotionen mit. Manchmal brauchen sie nur jemanden zum Reden“, sagt Yelizaveta Pivtoratska. Das sei nicht immer einfach für sie, aber sie spürt, dass sie für die Menschen in der Unterkunft eine wichtige Rolle innehat: „Wir sind ja in derselben Situation“, sagt sie.

Yelizaveta Pivtoratska ist glücklich über ihre Arbeit bei der DRK-Flüchtlingshilfe in der Potsdamer Notunterkunft. „Wir arbeiten hier wirklich im Team, auf sehr angenehme und respektvolle Weise. Das ist nicht selbstverständlich“, sagt sie anerkennend und dankbar.

"Wie ein Uhrwerk": das Team der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg in der Metropolishalle

Zusammenkünfte zum gegenseitigen Austausch, gemeinsames Erörtern von Problemen statt Ansagen von oben – das Team funktioniere „wie ein Uhrwerk“. Und darüber hinaus: Das Team der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg in der Metropolishalle tauscht sich in einer wöchentlichen Runde auf Augenhöhe auch mit den Geflüchteten aus, geht auf Wünsche und Beschwerden ein. „Das Besondere ist, dass hier alle Probleme gleich ernst genommen werden, egal, ob es nur eine Person allein oder alle betrifft“, hebt Yelizaveta Pivtoratska hervor. Dies liege auch an der Leiterin der Notunterkunft, Constanze Kaden von der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg.

Yelizaveta Pivtoratskas Ehemann ist in Saporischschja geblieben und leistet dort in einem privaten Zusammenschluss von Freiwilligen humanitäre Hilfe. Mit ihrem Mann ist sie täglich in Kontakt, meistens sagt er: alles gut. „Die Stadt ist noch nicht besetzt, und ich bin froh, das zu hören“, sagt Yelizaveta Pivtoratska. Die Sorge ist dennoch groß, auch der Schock über den Krieg sitzt bei ihr, bei der Familie, bei Freunden, noch tief. „Niemand hat das erwartet“, sagt sie.

"Noch nie so viel Hilfsbereitschaft erfahren"

Umso größer ist ihre Dankbarkeit für Unterstützung, die Geflüchteten aus der Ukraine in Deutschland entgegenkommt. Sie sagt: „Ich habe noch nie so viel Hilfsbereitschaft erfahren."

Wenn man sie fragt, was ihre weiteren Pläne sind, denkt Yelizaveta Pivtoratska kurz nach, lächelt, und sagt dann: „Das ist immer die erste Frage, die man in Deutschland stellt, wahrscheinlich weil ihr so gern plant.“ In der Ukraine sage man sich hingegen: Frag Gott nach seinen Plänen und er lacht dich aus. Aktuell könne man nicht absehen, wie sich die Situation in der Ukraine weiterentwickle. Viele Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, hätten daher gemischte Gefühle bei der Frage: als Geflüchtete im fremden Land bleiben oder zurückkehren?

Und wenn sie einen Wunsch frei hätte, für sich, für ihr Heimatland, für ihre Familie?

„Für die Ukraine wünsche ich mir Frieden und dass sich das Land erholt. Für meinen Sohn und mich selbst wünsche ich mir im Moment, dass wir uns hier gut integrieren können. Auch wenn derzeit nicht klar ist, ob wir hier bleiben oder zurückkehren werden. Aber falls wir bleiben, ist es besser, wenn wir integriert sind“, sagt Yelizaveta Pivtoratska.

Dann würde sie auch gern weiter für das DRK arbeiten. Denn: „Hier kann ich helfen.“

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